Gebot fairen Verhandelns beim Aufhebungsvertrag

Ein Aufhebungsvertrag kann gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen und damit unwirksam sein. Dies hat das Bundesarbeitsgericht bereits mit Urteil vom 07.02.2019 entschieden.

Am 24.02.2022 hatte sich das BAG erneut mit dem Gebot fairen Verhandelns im Rahmen des Zustandekommens eines Aufhebungsvertrages zu befassen:

Im Büro des Geschäftsführers kam es zwischen diesem, dessen Rechtsanwalt und der Arbeitnehmerin zu einem Gespräch. Gegenüber der Arbeitnehmerin wurde der Vorwurf erhoben, sie habe unberechtigt Einkaufspreise in der EDV abgeändert bzw. reduziert, um so einen höheren Verkaufsgewinn vorzuspiegeln. Nach einer etwa zehnminütigen Pause, in der die drei anwesenden Personen schweigend am Tisch saßen, unterzeichnete die Arbeitnehmerin den vom Arbeitgeber vorbereiteten Aufhebungsvertrag. Dieser sah u.a. eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses wenige Tage nach dem Gespräch vor.

Die Arbeitnehmerin focht den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an. Sie hat behauptet, ihr sei für den Fall der Nichtunterzeichnung des Aufhebungsvertrages die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung sowie die Erstattung einer Strafanzeige in Aussicht gestellt worden. Ihrer Bitte, eine längere Bedenkzeit zu erhalten und Rechtsrat einholen zu können, sei nicht entsprochen worden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Letzterem hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen und erklärt:

Selbst wenn zugunsten der Arbeitnehmerin der geschilderte Gesprächsverlauf unterstellt wird, so fehlt es an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung. Ein verständiger Arbeitgeber durfte vorliegend sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Nach Ansicht der höchsten deutschen Arbeitsrichter hat der Arbeitgeber nicht unfair verhandelt und dadurch gegen seine Pflichten verstoßen. Die Entscheidungsfreiheit der Arbeitnehmerin wurde nicht dadurch verletzt, dass der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Arbeitnehmerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste.

RA Peter Sänger