Ermittlung des Architektenhonorars nach HOAI weiterhin ungeklärt

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Entscheidung vom 14.05.2020 an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) ein Vorabentscheidungsersuchen zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit der HOAI-Mindestsätze gerichtet. Damit blieb die mit Spannung erwartete Antwort auf die Frage, ob das Preissystem der HOAI im Verhältnis zwischen Privatpersonen – weiterhin – anzuwenden ist ungeklärt.
Bereits am 04.07.2019 hatte der EuGH in einem von der Europäischen Kommission betriebenem Vertragsverletzungsverfahren festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Dienstleistungsrichtlinie verstoßen hat, dass sie verbindliche Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren beibehalten hat. Damit steht fest, dass es sich für öffentliche Auftraggeber bereits verbietet, die unionsrechtswidrigen Regelungen der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) bei der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen als Zuschlagskriterium anzuwenden. Umstritten sind in der Instanzrechtsprechung allerdings die Auswirkungen der vom EuGH festgestellten Unionsrechtswidrigkeit.
Ein Teil der Gerichte geht davon aus, dass das zwingende Preisrecht bei bestehenden Vertragsverhältnissen keine Anwendung mehr finden dürfe, obwohl die HOAI noch unverändert in Kraft ist (die aus dem EuGH-Urteil resultierende Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die HOAI–Regelungen der Mindest- und Höchstsätze unionsrechtskonform anzupassen, wurde bislang noch nicht umgesetzt). Demgegenüber plädiert ein Teil der Gerichte dafür, dass der verbindliche Preisrahmen der HOAI solange anwendbar sei, bis der deutsche Gesetz- bzw. Verordnungsgeber eine andere Regelung getroffen hat.
In seinem Beschluss vom 14.05.2020 hat sich der Bundesgerichtshof dahingehend positioniert, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des zwingenden Preisrechts gem. § 7 HOAI nicht möglich sei, weil Wortlaut und Sinn der Regelung eine solche Auslegung nicht zuließen.
Zur umstrittenen Frage eines Anwendungsvorrangs der Dienstleistungsrichtlinie gegenüber den unionsrechtswidrigen HOAI-Regelungen hat sich der BGH demgegenüber nur zurückhaltend dahingehend geäußert, als er dazu „neigt“, keine unmittelbare Wirkung der Dienstleistungsrichtlinie auf die entgegenstehenden nationalen Regelungen des § 7 HOAI anzunehmen. Das würde bedeuten, dass das zwingende Preisrecht der HOAI trotz festgestellter Unionsrechtswidrigkeit weiterhin anwendbar bliebe. Letztlich sei die Frage der richtigen Anwendung des Unionsrechts aber nicht zweifelsfrei beantwortbar, weshalb der BGH nun den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens mehrere Fragen vorgelegt hat.
Nachdem ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH statistisch gesehen ca. 16 Monate ab Eingang des Antrags andauert, wird es noch eine Weile dauern, bis der EuGH und dann anschließend wieder der BGH entscheiden wird.